Weihnachten!

Irgendwie ist in diesem Jahr alles anders.

Er will es nicht aussprechen, irgend etwas in seinem Kopf sagt ihm, solange er selber die Worte nicht ausspricht, sie nicht aus seinem eigenen Mund kommen, solange kann er die Illusion aufrecht erhalten.

Schon im Vorjahr hatte er so einen Verdacht, bestärkt durch die anderen Kinder. Er ist ein kluges Kind, er hat einfach nichts dazu gesagt, er wollte nicht riskieren von den Anderen ausgelacht zu werden.

Aber dann siegte doch die Neugier und er fragte. Nein, nicht die anderen Kinder, das wollte er keinesfalls. Als seine Oma ihn fragte: " Was wünscht du dir denn vom Christkind?" gab er patzig zur Antwort: " Es gibt ja gar kein Christkind!"

Omi schaute ihn an und meinte: "Wer sagt denn das?"  "Die anderen Kinder, sie sagen, das machen alles die Eltern, die kaufen die Geschenke, schmücken den Christbaum und tun dann so, als ob das Christkind das alles gemacht hätte! Der David hat sogar gesehen, wie seine Mutter den Baum geschmückt hat."

"Ja" sagte die Omi, "dann ist das halt beim David so, denn wer nicht ans Christkind glaubt, zu dem wird es auch nicht kommen, klar müssen da die Eltern alles machen". Das leuchtete ihm irgendwie ein, und ausserdem, er erinnerte sich ja noch ganz genau, als er mit Opa ein Jahr vorher den üblichen Spaziergang machte, bevor das Christkind kam, da hatte er es ganz deutlich gesehen, am Himmel. Wie ein besonders hell leuchtender, glitzernder Stern hatte es ausgesehen. Doch ganz überzeugt war er noch immer nicht. Jedenfalls hatte er sich vorgenommen, diesmal ganz besonders aufmerksam zu sein, damit ihm ja nichts entging. Er weigerte sich, mit Opa den Spaziergang zu machen, "Nein, ich will dableiben, ich will sehen ob ihr das alles macht, oder ob das Christkind kommt".

Schließlich ging er dann doch, denn er wusste ja, das Christkind will nicht gesehen werden...und wenn er nicht aus dem Zimmer ging,dann würde es sicher nicht kommen. Das wollte er dann doch nicht riskieren. Und es hatte geklappt, der letzte Rest von Mißtrauen verschwand, als er zwischen den Geschenken einzelne goldene Haare fand. "Goldene Haare, schau Mama, die sind sicher vom Christkind" rief er aufgeregt.

"Siehst du, man muss nur fest an etwas glauben" sagte die Oma. Lächelnd freute sie sich, die Idee mit den Goldfäden gehabt zu haben und damit ihm und der Familie einen Weihnachtsabend länger kindliche Freude geschenkt zu haben. Das war in diesem Jahr das Beste Geschenk. Denn es war das letzte Weihnachtsfest, an dem er noch ans Christkind glaubte.

Im nächsten Jahr war alles anders. Er WUSSTE es nun, er hatte sogar überlegt, so zu tun als ob er es nicht wüsste. Es einfach nicht aussprechen um den Erwachsenen die Freude nicht zu verderben. 

Doch das kam ihm auch dumm vor, also hatte er mit seiner Mama geredet und sie hat ihm die Wahrheit gesagt. Jetzt versteht er die Erwachsenen, ja sie wollen den Kindern eben eine Freude machen,darum machen sie das.

Wieder fragt ihn die Omi was er sich vom Christkind wünscht und diesmal sagt er: "Omi, ich weiss es ganz genau, es gibt kein Christkind, ich bin ja kein Baby mehr! Die Erwachsenen machen zu Weihnachten die Geschenke, damit sich alle freuen".

"Ok, was wünscht du dir von mir?" hat die Oma nur lachend geantwortet.

"Und weißt du auch warum wir uns beschenken?" fragt die Oma noch.

"Ja klar, weil das der Geburtstag vom Jesus ist, den wir alle feiern. Ist doch eigentlich schon cool, ER hat Geburtstag und wir bekommen Geschenke."

©Waldvee